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Trauergedichte
Wehmut
Ihr verblühet, süße Rosen,
meine Liebe trug euch nicht;
blühet, ach, dem Hoffnungslosen,
dem der Gram die Seele bricht!
Jener Tage denk ich trauernd,
als ich, Engel, an dir hing,
auf das erste Knöspchen lauernd
früh zu meinem Garten ging.
Alle Blüten, alle Früchte
noch zu deinen Füßen trug,
und vor deinem Angesichte
Hoffnung in dem Herzen schlug.
Ihr verbühet, süße Rosen,
meine Liebe trug euch nicht;
blühet, ach, den Hoffnungslosen,
dem der Gram die Seele bricht!
Johann Wolfgang von
Goethe (1749 bis 1832)
Laß das Trauern
Laß, mein Herz, das bange Trauern
um vergangnes Erdenglück,
ach, von diesen Felsenmauern
schweifet nur umsonst der Blick.
Sind denn alle fortgegangen:
Jugend, Sang und Frühlingsluft?
Lassen scheidend nur Verlangen
einsam mir in meiner Brust?
Vöglein hoch in Lüften reisen,
Schiffe fahren auf der See;
ihre Segel, ihre weisen
mehren nur des Herzens Weh.
Ist vorbei das bunte Ziehen,
lustig über Berg und Kluft,
wenn die Bilder wechselnd fliehen,
Waldhorn immer weiter ruft?
Soll die Lieb auf sonngen Matten
nicht mehr baun ihr ihr prächtig Zelt,
übergolden Wald und Schatten
und die weite, schöne Welt? -
Laß das Bangen, laß das Trauern,
helle wieder nur den Blick!
fern von dieser Felsen Mauern
blüht dir noch gar manches Glück!
Joseph Freiherr von
Eichendorff (1788 bis 1857)
Das ists, was an der Menschenbrust
mich oftmals läßt verzagen,
daß sie den Kummer wie die Lust
vergißt in wenig Tagen.
Und ist der Schmerz, um den es weint,
dem Herzen noch so heilig -
der Vogel singt - die Sonne scheint,
vergessen ist er eilig.
Und war die Freude noch so süß -
ein Wölkchen kommt gezogen,
und vom geträumten Paradies
ist jede Spur verflogen.
Und fühl ich das, so weiß ich kaum,
was weckt mir tiefern Schauer,
daß gar zu kurz der Freude Traum,
oder so kurz die Trauer?
Emanuel Geibel (1815
bis 1884)
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